Nun ist es also soweit. Über 7 Monate Vorbereitung finden ab heute nun ihre Anwendung: Impfmarathon, Englischkenntnisse aufbessern, Swahili-Kenntnisse erwerben. Mich um Sitter für Tier und Wohnung kümmern, Formalitäten klären (Pass, Krankenversicherung, Führungszeugnis, Abstimmung mit der Organisation in deren Namen ich als Voluntär unterwegs bin).
7 Monate in denen ich mich auch oft gefragt habe, ob ich mir das zutraue - fast 6 Wochen in einem fremden Land, mit fremder Kultur, fremder Sprache, fremden Sitten. Ein Flug der mind. 9 Stunden dauert, eine Reisezeit von mindestens 14 Stunden.
Ist das ausgewählte Projekt im Pippi-House das Richtige für mich? Wie wird das Zusammenwohnen und -leben mit den anderen Freiwilligen auf so kleinem Raum und in Mehrbettzimmern?
So viele Grenzen, die ich überschreiten werde. Situationen, die in meinem Alltag heute so eingefahren sind, dass ich sie als gegeben und selbstverständlich hinnehme. Was wird schwieriger als gedacht? Was wird einfacher als gedacht? An was habe ich gar nicht gedacht?
Tag 1 - Abschied von zu Hause
Geschlafen habe ich erstaunlich gut, aber kaum hatte ich beide Füße auf dem Boden ging‘s auch direkt ab. Duschen, Frühstücken, letzte Teile in den Koffer, Müll runter, Geschirr weg, Kühlschrank leeren, noch ein paar Zettelchen schreiben und schon stand ich mit 2 schweren Taschen und meinem Rucksack vor der Tür und wurde zum Flughafen chauffiert
Hatte ich je Sorte wegen meinem Gepäck weiß ich jetzt nicht mehr warum: von den zulässigen Kilo hatte ich gerade mal 25 kg in Anspruch genommen. Ich hätte ja mehr mitgenommen wenn in meinen Taschen auch nur noch der Hauch eines klitzekleinen Platzes gewesen wäre. War aber nicht.
Innerlich schon dreimal Schleudergang habe ich mich dann vor dem Besteigen des Fliegers für die Einnahme eines kleinen blauen Pillchens entschieden. Eine weise Entscheidung, denn ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen Flug so entspannt erlebt hätte.
Nun sitze ich hier in Istanbul, habe fast 4 Stunden Zeit für den Anschlussflug zum Kilimandscharo und könnte diese Zeit ganz locker dafür nutzen mich auf diesem Flughafen zu verlaufen. Hab ich aber nicht vor, denn so attraktiv ist er auch nicht. Die Pille von heute Morgen wirkt noch und ich bin ziemlich gelassen. Aber auch müde. Wovon eigentlich? Rumsitzen und essen ist ja nun nicht der Wahnsinns-Aufwand.
Noch 20 Minuten bis zum Einchecken. Ob das noch eine „schnelle Zigarette“ am anderen Ende dieses Flughafens reicht?
6 Stunden 5 Minuten dauert der Flug von Istanbul zum Kilimandscharo. Und die können ziemlich ungemütlich werden da in dem Flieger nicht wirklich viel Platz ist. Das Entertainment ist nicht schlecht, da ich aber in die Mitternacht fliege wäre mir mehr der Sinn eher nach Schlafen.
Ich hatte mich dafür entschieden vor dem Flug noch eine Tablette zu nehmen und so hab ich mich zwar nicht „abgeschossen“ doch aber zumindest weggetragen. Nur meine Knochen, die finden das nicht zu charmant da ich schon in ziemlich verkorksten Körperdrehungen versucht habe eine Position zu finden, die ein wenig Ruhezeit zulässt.
1:15 Uhr dann Landung auf meinem Zielflughafen. Dann gilt es die VISA-Dokumente auszufüllen, etwas, zu dem ich zu dieser nachtschlafenden Zeit nicht unbedingt in der Lage bin. Dass die Fragen alle in Englisch und Französisch gestellt sind erleichtert meine Aufgabe nicht unbedingt.
Aber auch geschafft, Visa beantragt, 50 US-$ bezahlt, zweimal fotografiert, beide Hände eingescannt und dann von meinem Reisegepäck freudigst erwartet.
Das dann geschultert ging‘s nach draußen, wo ich schon abgeholt wurde.
Meine Füße auf afrikanischem Boden. Die Temperaturen sehr angenehm. Die Autofahrt dauert 1 Stunde bis zum Africa-Haus. Das wäre wahrscheinlich auch um Einiges schneller gegangen, wenn auf den Straßen nicht alle gefühlte 100-200 Meter kleine Bodenwellen gebaut wären, die den Fahrer jedes Mal wieder direkt auf die Bremse treten lassen.
Kommunikation ist gerade nicht. Erwähnte ich schon, dass diese so frühe morgendliche Stunde nicht unbedingt die Zeit ist in der ich zu geistigen und körperlichen Höchstleistungen fähig bin?
Tag 2 – Ankunft im Africa-Haus
Wir kommen vor einem großen Eisentor zu stehen, ein Nachtwächter öffnet uns die Tür und ich werde zuerst von einem Hund begrüßt. Passt.
Innerhalb 5 Minuten erhalte ich eine erste Orientierung des Hausinneren. Hier Wohnzimmer, da Küche, hier der Schlafraum mit 2 Etagenbetten, ich habe ein oberes Bett was bei diesen Lichtverhältnissen, der Uhrzeit und meiner körperlichen Verfassung schon eine eigene Herausforderung darstellt. Zudem hatte ich nicht die Ambition, mich den Mitbewohnern um diese Zeit mit einer erhöhten Geräuschkulisse vorzustellen.
Ab 7:00 Uhr gibt es Frühstück und um 12:00 Uhr kommt jemand von der Organisation und wir starten die Einführung. Mit diesen Worten werde ich dann meinem Schicksal überlassen.
Irgendwo in den Untiefen meiner Reisetasche hatte ich auch eine Taschenlampe, gesucht gefunden und erst einmal mich alleine mit dem was um mich herum ist angefreundet. Mich noch eine Viertelstunde auf die Veranda gesetzt und beschlossen dass das abendliche Badritual heute mal aufgrund höherer Gewalt ausfallen muss.
Die Leiter des Etagenbettes bezwungen, erfolgreich mit dem Moskitonetz gefochten, das Deckchen nach meinem Gusto drapiert bin ich dann doch wider Erwarten eingeschlafen. Keine Ahnung wie spät es da sein mochte, mein letztes bisschen Zeitgefühl habe ich an der Grenze wohl abgegeben.
Die nächste Uhrzeit erfahre ich mit 7:20 Uhr als ich mich dann ans Aufstehen gemacht habe. Um mich rum schon eine gewisse Geräuschkulisse, diese erst einmal versucht zu entschlüsseln, bevor ich den Weg nach unten antrete. Im Wohnzimmer auf der Couch liegt ein Mitbewohner der sich gerade einen Film in seinem Laptop ansieht und er verrät mir mit der Uhrzeit in welchem Stadium des Tages ich mich gerade befinde.
7:20 Uhr klingt gut, dann kann das Frühstück ja kommen. Landesüblich bestehend aus Schwarztee (chai chekundu) und Weißbrot (mkate oliobanikwa) mit Margarine, Marmelade oder Erdnussbutter.
Hier lerne ich dann auch nach und nach meine temporären Mitbewohner kennen bevor es an die erste große Herausforderung des noch jungen Tages geht: Duschen.
Meine morgendliche Dusche ist auch immer dazu angetan, Prognosen dafür abzugeben, wie ich in den Tag starte. Ohne eine gute Dusche geht nichts, meint: lecker warm, lang anhaltend und weich tröpfelnd.
Ja, und das ist dann der Moment wo mir zum ersten Mal schlagartig klar wird: die nächsten 39 Tage werden aber so ganz anders verlaufen, wie ich das gewohnt bin. Nein, ich beschwere mich nicht. Ich stelle nur fest. Denn genau das war ja auch die Motivation für meine Reise.
Doch an eine eiskalte (und ich meine eiskalt!) Dusche die ihr Wasser nur nach mehreren Bitten bzw. 100 gefühlten Drehungen am Hahn freigibt hatte ich bei dem Abenteuer eher so nicht gedacht. Der öfters angebrachte Hinweis mit Wasser sehr sparsam umzugehen, weil dies schon eine knappe Ressource hier ist hätte es für mich gar nicht bedurft. Ich habe wohl noch nie so schnell geduscht und so wenig Wasser verwendet wie heute. Freiwillig. Mehr oder minder.
Nach dem ich also dieses Ritual mittelprächtig erfolgreich hinter mich gebracht habe, wurde mir verraten, dass es auf der anderen Seite des Flures auch noch eine Dusche gibt. Und die hätte zumindest ab und an lauwarmes Wasser. Na vielen Dank auch für diesen frühzeitigen Tipp. Morgen wird es diesbezüglich also einen neuen Versuch geben.