UA-72828302-1
Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Trotz Sonntag ein Projekttag

Veröffentlicht am 03.07.2016

Da ich ja nun unter der Woche zwei „freie“ Tage habe, versuche ich am Wochenende ins Tierheim zu kommen. Was bedeutet, dass auch an einem Sonntag um 6:00 Uhr der Wecker zum Aufstehen ruft und ich dieses Mal nicht warten will, dass man mir während des Duschens den Strom abstellt.

Da ich sonntags gewöhnlich nicht so früh unterwegs bin, bin ich gespannt, wie das Treiben um 8:00 Uhr morgens in Tansania ist.

Meine erste Überraschung gilt mal wieder – wie könnte es auch langsam anders sein – der ersten Dala Dala-Fahrt. Ich weiß nicht, ob es ein „Sonntags-Dala Dala“ ist, aber neben den Sitzen, die alle mit roten PVC-Schonbezügen ausgestattet sind ist der ganze Wagen mit dunkelrotem Velour ausgekleidet. Das sieht schon recht edel aus. Ist hier die Zeit eh schon in Pole-Pole ausgeschildert, so ist sie sonntags Pole Pole Pole Pole. Alles noch ruhiger und bedächtiger. So laufen nur wenige Menschen mit mir die Strecke vom Impala zu Phillips und der Verkehr ist noch sehr übersichtlich.

Nur bei der zweiten Dala Dala Strecke merke ich, dass es ein anderer Tag als ein üblicher Wochentag ist. Denn hier füllt sich das Dala Dala zusehends, während es unter der Woche sich von Station zu Station weiter leert. Vielleicht zieht es die Tansanier am Wochenende aufs Land?

Es wird richtig eng, rechts und links habe ich keinen Millimeter Bewegungsfreiheit mehr. Nur nach oben, da ist noch Luft. Und die wird auch benötigt, denn wenn das Dala Dala mit etwas höherer Geschwindigkeit über einen der vielen Straßenschwellen fährt, dann hüpft der komplette „Fahrgastbereich“ ca. 10 cm in die Höhe. Eher unfreiwillig, und beim Landen werden die Karten der Sitzposition neu gemischt. Und dann kann es auch passieren, dass der Nachbar so hälftig auf dem eigenen Schoß landet. Bis das wieder so sortiert ist, naht schon der nächste Huppel …

Auch die Piki Piki Fahrer machen keinen Unterschied im Wochentag, es stehen immer welche am Momela, der Station die meine Zielstation ist.

Ich hatte ja schon einmal ein wenig über die Piki Pikis geschrieben. Transportiert wird auf den Motorrädern alles, was sich irgendwie transportieren lässt. Da sieht man dann auch des Öfteren, dass sie zu dritt unterwegs sind, manchmal noch ein Kind zwischen Fahrer und Sozius, was aber auch schon gesichtet wurde ist ein Schaf, was zwischen den beiden Personen eingekeilt war und seitlich liegend transportiert wurde.

Höhe ist gar kein Thema. Bis zu 4 von den Faltkisten werden mit einem Spanngummi an den Gepäckträger geschnallt und dann eben mit etwas geringerer Geschwindigkeit von A nach B transportiert.

Mein Piki Piki Fahrer telefoniert auch schon mal gerne während der Fahrt. Da er aber – so mein Anschein - ein ansonsten sehr aufmerksamer und guter Fahrer ist, nehme ich es zur Kenntnis und lasse es weiter unkommentiert. Zumal wir auf einer Strecke unterwegs sind, die kaum Verkehr aufweist.

Denn in Arusha Zentrum würde ich niemals ein Piki Piki als Fortbewegungsmittel wählen. Neben dem Staub, denn man hier dann gleich Esslöffelweise zu sich nimmt, kann ich kein System in dem Straßenverkehr erkennen. Aber vielleicht ist das auch nur für Eingeweihte ersichtlich und dazu gehöre ich ganz sicher nicht.

Sonntags sind im Tierheim keine Angestellten, außer einem Schwarzen, der die Tiere mitversorgt. Auch sind in der Regel keine Volontäre da. Die anfallende Arbeit bleibt dennoch die gleiche.

So laufen wir erst eine große Runde mit einer ausgesuchten Anzahl von Hunden, durch eine Gegend, die einfach ein Traum ist. Der Arusha Nationalpark ist eine Armlänge entfernt und so habe ich heute, bei dem Weg durch den Dschungel meine ersten Affen gesehen.

Auch auf den Feldern wird gearbeitet, da macht es keinen Unterschied, dass es sich um einen Sonntag handelt.

Wir sind zurück von dem Spaziergang und ein kranker Hund wird am Tor vorgestellt. Er hat nur noch minimalste Überlebenschancen, denn er ist schon ganz gelb. Was auf eine massive Leberentzündung schließen lässt. Da er auch schon Blut im Urin hat, ist es mehr als fraglich, ob er es überhaupt noch schaffen kann.

Der Hund wird in einen kleinen abgegrenzten Bereich gebraucht. Er erhält dort Vitamin K unter die Haut gespritzt, und ein paar weitere Vitamine zusätzlich. Dann wird er an einen Infusion angeschlossen.

Sandra hat dies alles bei einem Tierarzt abgeschaut, und viele der Medikamente im Haus. Gewisse Erkrankungen weiß sie selbst zu behandeln. Von Vorteil ist hier sicher auch, dass sie eine gelernte Krankenschwester ist.

Der Hund zeigt definitiv Vergiftungserscheinungen. Es gibt im Jahr immer eine zeitliche Phase, in der viele Hunde erkranken und oftmals daran sterben. Wenn nämlich auf den Feldern Pestizide gespritzt werden. Oder eben Rattengift ausgelegt wird, da das Rattenvorkommen schon enorm hoch ist.

Auch für Menschen gilt allergrößte Vorsicht. Deswegen gibt es hier auch eine unumstößliche Regel, was den Verzehr von Obst und Gemüse angeht: Koch es, schäl es oder vergiss es.

Nun ist die Verwendung von Pestiziden ja auch in Europa nicht unüblich, und es gelten auch da gewisse Vorsichtsmaßnahmen. Aber zumindest könnte man mit dem Waschen von Obst und Gemüse schon einigen Risiken entgegen wirken. Das gilt aber nicht bei afrikanischem Wasser, welches eben auch nicht die Trinkwasserqualitäten aufweist, wie ich sie von zu Hause gewohnt bin.

Der Hund wurde von einem Schwarzen gebracht, dessen Hund er ist. Er ist auch erst 2 Jahre alt. Das ist nicht unbedingt das übliche Vorgehen, denn „Haustiere“ (die oftmals nicht ins Haus dürfen), haben keinen besonders hohen Stellenwert. Das zeigen auch einige gequälte und misshandelte Hunde, welche im Tierheim Unterschlupf gefunden haben. Zu Einem, der es mir sehr angetan hat, komme ich später.

Ich kann nachvollziehen, dass die Straßenhunde zum Stadtbild gehören. Und viele Einheimische andere Sorgen und Prioritäten haben, als diese zu versorgen. Was ich niemals nachvollziehen können werde und möchte, das ist, wie man Tiere vorsätzlich quälen kann. Z.B. ihnen mit einer Axt einfach ein Bein abhakt. Einfach so. Ohne ersichtlichen Grund.

Das gilt übrigens für jedes Land und jede Nationalität. Denn eine solche Behandlung von Tieren ist ja leider in keiner Weise regional beschränkt.

Der Hund wird während der Infusion beobachtet, eigentlich sollten sich die beiden Einheimischen darin abwechseln. Die sind aber kurz verschwunden und kommen erst sehr viel später wieder um den Hund abzuholen. Ich bin gespannt, ob wir erfahren werden, was aus ihm wurde. Denn seine Prognose ist mehr als ungünstig. Aber: hier wird kein Tier aufgegeben.

Dann geht’s zum Mittagessen. Während ich noch reichlich gefrühstückt habe, hat Sandra bis jetzt noch nichts gegessen. Denn zu tun gibt es hier immer etwas.

Aaalso, dann komme ich nun mal zu meinem auserkorenen Liebling. Wobei ich vorneweg sagen muss, die meisten sind hier wirklich tolle Hunde. Und viele sehr junge Hunde sind ebenfalls da, die ja per se einen Niedlichkeitsfaktor 10 haben.

Letzten Mittwoch aber wurde ein neuer Hund aufgenommen, der erst einmal in der Quarantäne untergebracht wurde. Dort wird er entfloht, bekommt einen Spot-on gegen die Zecken und kann dort zur Ruhe kommen. Kinder haben ihn auf der Straße gefunden und ihn ins Tierheim gebracht. Sein hinteres linkes Bein ist mit offenen Wunden übersät und wird voraussichtlich amputiert werden müssen, da er es nur anzieht und in keiner Weise zur Fortbewegung verwendet. Sein rechtes Hinterbein ist auch nicht komplett in Ordnung, aber das scheint reparabel.

Ich kann sein Alter überhaupt nicht schätzen, aber ich würde schon vermuten, dass er über 5 Jahre alt ist. Sein Körper, vor allem sein Kopf, der Bereich um die Ohren und ums Maul ist voller Narben und Verkrustungen die schon von einem harten Kampf auf der Straße ums Überleben erzählen.

Ich habe Moyo (das ist inzwischen sein Name und bedeutet übersetzt: Herz) an meinem zweiten Tag in seiner Quarantänestation gesehen und sofort hat er etwas in mir berührt.

Letzten Freitag habe ich mich dann eine halbe Stunde zu ihm gesetzt und ihn gestreichelt. Und so wie er reagiert hat, hat er wohl in seinem Leben wohl noch nie bis selten eine Streicheleinheit erhalten.

Damit er auch mal ans Tageslicht kommt wurde der Außenbereich um die Station abgeschlossen und ich brauchte Moyo gar nicht zu bitten, nach draußen zu kommen. Er wich einfach nicht von meiner Seite. Und so saßen wir eine weitere halbe Stunde in der Sonne und er konnte von Streicheleinheiten gar nicht genug  bekommen. Ein großer, an und für sich kräftiger Rüde spürte, dass ich aufstehen wollte, rückte noch näher an mich heran und vergrub seinen Kopf unter meinem Arm.

Mein Rafiki Moyo.

Und für genau jenes tolle Geschöpf steht heute Badetag auf dem Programm. Denn da ist so Einiges in seinem Fell, was da nicht hingehört.

Inzwischen darf er auch mit einigen Hunden in den größeren Auslauf und so haben wir mit Gießkanne und Seife Moyo in der Sonne in eine wahre Schönheit verwandelt. Das Einzige worum ich ihn ein klein wenig beneidet habe war, dass seine Gießkannendusche sehr warmes Wasser enthielt ;)

Und Moyo, der wohl im Leben noch keine Pflegedusche erhalten hat, findet das zwar ein wenig unheimlich, doch ich glaube, er spürt, dass man ihm nur Gutes will. Und auch die anschließende Entfilzung von seinem Fell nimmt er an und vertraut uns. Bei alledem was er sicher schon erlebt und erfahren musste, da gibt es einen kleinen Teil in ihm, den konnte keiner zerstören. Und (d)er berührt mich. Berührt mich sehr.

Heute geht es nicht mit dem Piki Piki und Dala Dala nach Hause, da eine Freundin des Hauses zu Besuch ist, und mich mit dem Auto mit nach Arusha nimmt. Und so ist diese Rückfahrt als sehr komfortabel zu bezeichnen.

Ja, und nun sitze ich hier auf der Couch, habe schon 2 weitere Gläser Tee getrunken und etwas gegessen, und lasse den Tag ausklingen.

Für andere keiner Erwähnung wert, hier aber etwas, was uns schon auffällt: heute gab es keinen einzigen Stromausfall. Ich finde es gut, wenn scheinbare Selbstverständlichkeiten wieder eine Beachtung finden. Und damit meine ich nicht nur den Strom.

Und somit endet hier meine 3. Woche in Tansania. Und morgen starte ich in die 4. Woche.

Noch eine kleine Randbemerkung: im Moment gibt es keine Fotos, weil ich derzeit so gut wie nicht zum Fotografieren komme. Ab Donnerstag bin ich aber auf Safari, und ich denke, in der übernächsten Woche werde ich sicherlich mit Bildern nicht geizen.

Cookie-Regelung

Diese Website verwendet Cookies, zum Speichern von Informationen auf Ihrem Computer.

Stimmen Sie dem zu?