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Massai - Tour

Veröffentlicht am 16.07.2016

Es ist Samstag und dennoch heißt es um 6:00 Uhr aufstehen, da ich 2,5 Stunden später im anderen Hostel sein muss, da dort die Massai-Tour startet.

Das Erste, was ich höre, ist, dass es draußen schüttet. Na wunderbar. Denn meine einzige dicke Jacke muss heute auch in die Wäsche, denn die Hunde haben nichts unversucht gelassen, die ursprünglich hellgraue Farbe in ein dunkleres Rot zu verwandeln. Damit gehe ich selbst hier nicht mehr „auf die Straße“.

Gemütlich gefrühstückt – zur Feier des Tages gibt es deutsches Brot – und danach meine Sachen zusammengesucht, mache ich mich zu Fuß auf, um ins Hostel am Banana zu kommen.

Raymond wird unser Guide an diesem Tag sein, und das Erste, was ich erfahre ist, dass wir dort mit dem Dala Dala hinfahren werden. Besser gesagt, mit 3 Dala Dala, denn wir müssen zwei Mal umsteigen. Und die Fahrt wird auch länger dauern, an die 2 Stunden sicherlich.

Da bin ich ja schon zum zweiten Mal an dem Tag versucht, die Tour für mich abzublasen. Denn schon der Regen lies mich im Hinblick auf meinen sehr angeschlagenen Gesundheitszustand überlegen, ob das so gut für mich wäre. Dieser hörte aber pünktlich zu meinem Tagesstart auf, und so mache ich mich doch auf den Weg.

Nun aber zu erfahren, dass wir heute wieder extrem lange Strecken mit dem Dala Dala fahren werden, lässt diesen Impuls wieder schlagartig anwachsen. Denn in einem Dala Dala zieht es grundsätzlich. Irgendwer hat immer irgendwelche Fenster auf, oder es zieht an den Füßen, weil das Bodenblech des Wagens nicht so luftundurchlässig ist. Meine Laune sinkt schon wieder.

Aber nun bin ich hier, es ist einer meiner letzten Tage, und so werde ich das auch durchziehen.

Unsere Gruppe besteht aus insgesamt 7 Leuten, inklusive unserem Guide, und wir haben doch tatsächlich das Glück, in allen Dala Dala Sitzplätze zu bekommen. Sicherlich, mit dem gewohnten Komfort, heißt: Bewegungslosigkeit, permanente Frischluftzufuhr oder lange Strecken ohne Rückenlehne inklusive.

Langsam weiß ich mein doch sehr komfortables Zuhause immer mehr zu schätzen.

Zuerst geht es nach Arusha rein, dort müssen wir zum den Anschluss-Dala Dala eine kleinere Strecke zu Fuß zurücklegen, und wir haben Einblick in die ärmeren Viertel dieser Stadt. Wobei wir wohl noch nicht einmal das wirkliche Elend gesehen haben.

Die Zeit nutzt Raymond schon, um uns Einiges zu erklären oder unsere Fragen zu beantworten. Er ist ein kundiger Guide, denn er selbst ist der Sohn eines Massai, der später in die Stadt gezogen ist, auch um dort weiter zu lernen. Unter anderem die englische Sprache, die er für einen Einheimischen, zumindest die, die ich bisher kennengelernt habe, sehr gut spricht.

Wir fahren zu dem Massaidorf, die mit Step-Africa ein Abkommen über die Förderung geschlossen hat. Und das ist alles andere als die von mir zuvor vermutete Rheumadecken-Verkaufsveranstaltung.

Der Leader des Dorfs, welches wir uns anschauen, ist 84 Jahre alt und hat 9 Frauen. Seine jüngste Frau ist 34 und sein jüngstes Kind ist 2 Jahre alt. Alle wohnen zusammen in diesem Dorf, wo er eine eigene Hütte hat, die auch keines der Kinder betreten darf. Diese Hütte hat einen Durchmesser von 2 Metern, besteht aus einem Bett, dessen Matratze aus Kuhhaut besteht, einer kleinen Feuerstelle zum Wärmen und einem kleinen Bereich, wo die Behältnisse für Zeremonien aufbewahrt werden.

Möchte der Massai nachts einer seiner Frauen bei sich haben, dann sagt er dieser Frau dann Bescheid, und sie teilt in der Nacht sein Lager.

Die erste Frau eines Massais sucht der Vater aus. Alle weiteren Frauen darf der Massai selbst wählen. Und es gibt keine Möglichkeit, sich gegen diese Entscheidung zu stellen. Weder bei der Wahl der ersten Frau noch für die Frauen, wenn der Massai sich für sie entschieden hat.

In dem vom uns besuchten Massaidorf arbeiten auch zwischendurch Volontäre. Für sie wurde eigens eine Lehmhütte errichtet, diese wiederum haben eine Schule gebaut.

Die Massai ernähren sich hier überwiegend und nahezu ausschließlich vom Blut, der Milch und dem Fleisch der Ziegen und Rinder, dazu gibt es maximal Ugali (den Maisbrei). Sie trinken das Wasser aus dem nahegelegenen kleinen See, was bei jedem Europäer wohl zu den schlimmsten Erkrankungen führen würde. Sie aber sind und werden von klein auf daran gewöhnt.

Eine sehr – eigentlich typische Frage für deren Lebensart – witzige Situation gibt es, als Raymond die Frage einer der Frauen übersetzt, ob die anderen Fünf denn alle meine Töchter und Söhne wären? So schnell wird man hier Mutter.

Und zu einer meiner Mitvolontärin meint die Frau: wenn ich einen Sohn hätte, dann würde ich diesen mit dir verheiraten. So schnell wird man hier verheiratet.

Raymond zeigt uns auch den Bereich, den wir nicht betreten dürfen. Wo die Kühe reingeführt werden. Oder die Beschneidungszeremonien durchgeführt werden. Diese werden nach wie vor an Mädchen und Jungen durchgeführt, auch wenn sie offiziell längst verboten sind. Aber ein Mädchen, welches nicht beschnitten ist, darf nicht heiraten. Das ist für mich mehr als befremdlich, weil es für die Mädchen und späteren Frauen eine sehr schmerzhafte Angelegenheit ist und bleibt. Und oftmals führt dieses Ritual auch zum Tode, da sich die Wunden entzünden.

Zum Schluss machen wir noch Einige Fotos. Die Massai haben nichts dagegen und fragen auch nicht für Geld danach. Im Gegenteil: sie bitten uns darum, ihnen doch die Bilder zukommen zu lassen, weil sie sich selbst überhaupt nicht sehen (können). Denn es gibt auch keinen einzigen Spiegel in dem Massaidorf.

Wir fragen nach, weil wir gehört haben, dass Massai sich nicht gerne fotografieren lassen, weil sie der Meinung wären, dass ihre Seele dann gefangen würde. Aber das stimmt so nicht ganz. Ganz lange galt der Glaube, dass fotografieren Lebensjahre wegnimmt. Aber auch hier sind die Massai nun aufgeschlossener geworden und fotografieren ist für die meisten nichts Ungeheures mehr.

Nach dem Besuch des Dorfes gehen wir zum benachbarten Markt. Hierzu reisen die Massais aus der ganzen Gegend an, manche nehmen dafür einen Fussmarsch von 5 Stunden auf sich.

Angeboten werden dort die unterschiedlichsten Waren, vor allem Obst und Gemüse. Aber auch Haushaltswaren, Schmuck und vor allem Stoffe und Decken. Und einer dieser Massaidecken ist nun auch meine. Da ich nun aus eigener gemachter Erfahrung weiß, dass sie sowohl als Tischdecke als auch als Zudecke in kalten Nächten (wie z.B. am Ngorongoro-Kraterrand) taugen, muss einfach eine solche Decke in meine Mitbringseltasche. Unser Guide handelt und so erhalte ich diese für TSH 10.000 (also umgerechnet etwas weniger als 5 €).

Auch hat dieser Markt eine eigene Schlachterei. Ich kann noch sehen, wie die jungen Ziegen dort hingeführt werden, dann aber wende ich meinen Blick ab. Die Tiere werden hier weitestgehend artgerecht gehalten, und die Menschen essen hier nun überwiegend Fleisch, also kann und will ich das in keiner Weise verurteilen. Sie werden dort schnell getötet und noch vor Ort ausgenommen und gebraten. Es gibt nahezu kein Bestandteil der Ziegen, der nicht irgendwie verarbeitet oder gegessen wird. Wie ich finde, auch das ein Respekt vor dem Tier. Nur ich muss nicht Augenzeuge dieses Vorgehens werden.

Wir setzen uns etwas abseits, essen etwas, bevor wir dann unsere längere Rückfahrt im Dala Dala antreten.

Es ist eine interessante und lehrreiche Reise mit einem klitzekleinen Einblick in die Welt der Massai gewesen. Und auch, wenn es für Außenstehende immer noch mit einem geheimnisvollen Mythos umgeben ist, und sich nach Abenteuer und Freiheit anhören mag, ich glaube, es ist ein hartes Leben, was viele Entbehrungen mit sich bringt. Und ich meine nicht das Fehlen von Luxus und Komfort, sondern ein täglicher Kampf ums Überleben. Die Massai sind ein stolzes Volk, und ihre Religion ist die Natur, aber es fordert auch viel von ihnen. Und Stolz ist oftmals auch da zu finden, wo es an anderen, wichtigen Dingen fehlt. Das aber ist nur meine kleine bescheidene Meinung, die auch nur auf einem winzigen Kenntnisstand der Umstände fußt.

Zurück am Hostel hole ich mir hier erst einmal das überall erhältliche „Chips Mayai“, Kartoffelstückchen in Ei gebraten und mit Salat dekoriert und genieße im Hostel, die Situation, die ich dort vorfinde: außer der Dada und mir ist nämlich niemand hier. Absolute Ruhe, und ich kann meinen eigenen Gedanken nachhängen und das Essen in absoluter Ruhe einnehmen. Ein Umstand, der mir gerade mächtig gut tut.

Denn wenn es etwas gibt, was ich hier nun im Überfluss für die nächsten Jahre im Voraus hatte und habe, dann ist es zum Einen Körperkontakt und Enge (durch die Dala Dala Fahrten) und sozialen Austausch „ohne Entkommen“ (da ein Hostel in der Größe nun einmal keinen Rückzugsraum bietet. Nahezu nie und nirgendwo).

Ich habe diese Reise angetreten, mit dem Wissen, dass mir Vieles begegnen wird, was ich nicht kenne. Oder einfach anders ist, als ich es kenne. Das ich mit diesem Abenteuer auch vieler meiner Grenzen überschreite oder erst so richtig deutlich wahrnehme.

Und dieses Wissen hat sich bestätigt. In Manchem mögen sich meine Grenzen erweitert haben. Bei anderen wiederrum habe ich gemerkt, dass sie eher bestätigt wurden, auch wenn ich in dieser Zeit hier sie temporär außer Kraft setzen konnte oder musste.

Ich merke, wozu ich fähig bin aber nicht unbedingt immer will. Und ich merke auch die Dinge und die Begebenheiten, die sich wohl nie ändern. Die unabhängig vom Abenteuer und dem Umfeld immer wieder nach einem gewissen Zeitraum auftreten und sich scheinbar kaum verändern. Weil sie tief in mir verankert sind. Was ich davon halte, dass möchte ich dann aber für mich behalten.

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